20. Naikan - auch für Inhaftierte

Veröffentlicht auf von Georgis Heintz

Naikan in der JVA Sehnde

In diesem Jahr hat die JVA Sehnde eine Station zu einem "Naikan Zentrum" der niedersächsischen Justizvollzugsanstalten umstrukturiert.
Dort besteht für interessierte Inhaftierte einmal im Monat die Möglichkeit eine Woche mit der Naikan Methode an sich zu arbeiten.

Was ist Naikan??

Die Naikan-Methode 

Naikan ist eine einfache aber sehr tiefgehende Selbsterfahrungsmethode um Krisen zu bewältigen, eine kurze hochwirksame psychotherapeutische Intervention zu setzen oder  tiefer in das eigene Selbst vorzudringen und wesentliche Lebensfragen zu klären 

Es werden in der Naikan-Arbeit drei Elemente miteinander kombiniert:

  • Eine reizreduzierte, meditative Umgebung, die die Konzentration fördert.
  • Eine geordnete Analyse des bisherigen Beziehungsgeflechts.
  • Eine empathische, nicht-forcierende Begleitung durch den/die Naikan-LeiterIn .

Naikan kann auf mehrere Arten gemacht werden. Die klassische Form ist hochkonzentriert innerhalb von 7 Tagen in Form eines Retreats. Ein anderes beliebtes Angebot ist das Tages-Naikan, das ist einmal monatlich einen ganzen Tag Naikan-Übung in unserem Zentrum, wobei hier mindestens ein halbes Jahr im Prozess geblieben werden sollte. Weiters gibt es die Form des Jahres-Coachings und e-naikan, beides neue Angebote in unserem Institut.

Kernstück der Methode sind drei Fragen, die einerseits eine Bilanz über Geben und Nehmen in einer Beziehung herstellen und zugleich konsequent jede Opferhaltung vermeiden helfen.
Die erste Frage lautet:
Was hat der Mensch, in dessen Spiegel ich mich gerade betrachte, für mich getan? 

Die zweite Frage untersucht das Gegenteil: 
Was habe ich für diesen Menschen getan? 

Die dritte Frage klingt für viele TeilnehmerInnen oft im ersten Moment schockierend oder ungerecht, besonders wenn sie belastete Beziehungen untersuchen. Sie führt uns aber zu dem Bereich, in dem wir unsere Anteile an der Problemsituation erkennen. Sie lautet: 
Welche Schwierigkeiten habe ich diesem Menschen gemacht? 

Betrachtung der grundlegenden Beziehungen

In jedem Naikan wird empfohlen, zuallererst die grundlegenden Beziehungen unseres Lebens anzusehen. Das sind Mutter, Vater oder jene Personen, die deren Aufgaben wahrgenommen haben. Wenn wir in akut verletzenden Situationen stecken, wird das manchmal als Umweg empfunden. Aber es gibt zwei Gründe, die für dieses Vorgehen sprechen. Einerseits ziehen wir uns durch diese disziplinierte Vorgangsweise aus unserer aktuellen Krise heraus, die meist unseren Blick sehr verengt. Wir entspannen uns wieder etwas und sehen unser Leben in seiner Ganzheit, was Probleme oft relativiert.

Strukturierte Betrachtung lässt Handlungsmuster erkennen

Der zweite Grund für das strukturierte Vorgehen ist in der Tatsache gegeben, dass wir unsere wesentlichen Handlungsmuster in den Basisbeziehungen zu Mutter, Vater, Geschwistern, vielleicht auch Großeltern entwickelt haben. Verstehen wir unsere Handlungen, dann verstehen wir, wie unsere Anteile ein Geschehen, in dem wir stecken, mit beeinflussen. Und weil wir in unserem Leben nur unsere Handlungen - und damit aus systemischer Sicht sehr wohl auch die Gesamtsituation - verändern können, konzentriert sich Naikan darauf und nicht auf ein Beklagen der Situation oder auf end- und hilflose Schuldzuweisungen. Natürlich werden später in einem Naikan-Prozess, wenn wir unsere Basisbeziehungen durchgearbeitet haben, auch heutige Beziehungen betrachtet, Partner, Kind(er), Kollegen, Chef, Freunde und andere Personen. In Krisensituationen, die sehr aufwühlen, kann selbstverständlich auch zuerst gegenüber jener Person Naikan gemacht werden, die die Krise in uns ausgelöst hat, also etwa gegenüber dem Partner, der sich von uns trennen will. Naikan kombiniert eine disziplinierte Betrachtung mit einer weitgehende Freiheit bei der Wahl der Objekte. Alle Vorschläge der Naikan-LeiterInnen sind eben nur Vorschläge und können abgewandelt oder eben abgelehnt werden.

Problemhaltungen werden aufgelöst - Problemsicht wird entspannt

Nach Naikan, das ist praktisch durchgehend das Ergebnis für alle, die den Prozess durchlaufen haben, stellt sich eine entspanntere Sicht auf die vorher dominierenden Problematiken ein. Es ist auch für jeden Naikan-Leiter immer wieder verblüffend, wie rasch sich Problemhaltungen mit all ihren Konsequenzen wie Ängsten, psychosomatische Störungen, neurotische Fixierungen, Zwangshaltungen und so weiter durch eine einfache, aber disziplinierte Betrachtung auflösen.

Die Handlungsfähigkeit kehrt zurück

Naikan führt uns aus verhängnisvollen Verstrickungen heraus auf eine Ebene, auf der wir unser Leben wieder gestalten können. Dadurch sind wir in der Lage, der Situation eine konstruktive Richtung geben, die nicht weiter für uns selbst und andere verletzend ist, sondern eine für alle Beteiligten fördernde, liebevolle Situation schafft.

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Ich hab es selber noch nicht ausprobiert, bin jedoch begeistert von dem, was ich bisher über diese Methode gehört habe - und freue mich sehr darüber, dass eine Möglichkeit mehr zur Unterstützung geboten wird.

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